“Warum sind diese Messwerte so groß? Eigentlich sollten sie doch viel kleiner sein als die anderen!? Und was war nochmal in diesem Reagenzglas?”
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So in etwa sah es in meinem Kopf aus, als ich in meiner letzten Biochemie-Praxisklausur saß. Doch das war keine Klausur, die wir hier am Gymnasium Gaimersheim geschrieben haben. Stattdessen befand ich mich hunderte Kilometer entfernt von meinen Mitschülern – die gerade ganz mit ihren mündlichen Abiturprüfungen beschäftigt waren – in einem Kieler Labor. Bis ich dort hinkam, war es jedoch ein weiter Weg (und das längst nicht nur in Bezug auf die 3500 km Zugfahrt).
Alles begann eigentlich schon im Sommer 2017, als ich zum ersten Mal von der Internationalen Biologie-Olympiade erfuhr. Fasziniert von diesem Wettbewerb, der sowohl Theorie als auch Praxis bietet, beschloss ich, das ganze einfach mal auszuprobieren. Wie sich vielleicht einige Leser meines letztjährigen Artikels erinnern, wurde ich nach dem erfolgreichen Abschluss von Runde 1 (Komplexe Theorie-Aufgaben, die mit Fachliteratur gelöst werden können) und 2 (eine zweistündige Theorie-Klausur an der eigenen Schule) zum bayerischen Landesseminar für die besten Teilnehmer eingeladen. Dort habe ich zwar viele neue Erfahrungen zur Laborarbeit mitnehmen können, danach war die Reise jedoch vorerst beendet.
Zusätzlich zu tollen Erfahrungen habe ich in diesem Seminar noch etwas ebenso Wichtiges erhalten: Motivation. Und mit dieser Motivation startete die Reise vor ziemlich genau einem Jahr von vorne. Nachdem ich in Runde 1 nur recht knapp als 296. einen Platz für die Theorieklausur der zweiten Runde gewonnen hatte, erwartete mich kurz vor Weihnachten ein überraschender Brief: Ich war der beste Teilnehmer Bayerns – und damit eingeladen nicht nur nach München zum Landesseminar, sondern auch nach Kiel, zur 3. Runde, gemeinsam mit 44 anderen Top-Biologieschülern aus ganz Deutschland.
Mit dem Landesseminar als hilfreicher Vorbereitung machte ich mich im Februar 2019 auf die erste Reise nach Kiel, gespannt und nervös, was mich dort erwarten würde. Den meisten anderen Teilnehmer ging es ebenso, und zusammen verbrachten wir eine tolle Woche in der wir nicht nur viel über Biologie, sondern auch einige neue Kartenspiele lernten. In den ersten Tagen war dafür noch wenig Zeit, denn es erwartete uns ein straffes Programm. Zu jedem Themenbereich gab es zuerst noch einen kurzen Einführungskurs, der uns auf die Herausforderungen vorbereitete – dann standen vier Klausuren auf dem Plan: Einmal Theorie (180min) über so ziemlich alles, was es in den vielfältigen Themenbereichen der Biologie zu wissen gibt, und dreimal Praxis (jeweils 75min). Dort drehte sich alles entweder um Zoologie (Insekten bestimmen, Stammbäume zeichnen, Tiere sezieren…), Botanik (Pflanzenmerkmale unter dem Mikroskop zuordnen, Blüten bestimmen) oder Biochemie (alles Mögliche an chemischen Reaktionen, bei denen man etwas messen oder erklären sollte). Die große Herausforderung: Die Aufgaben sind so gestellt, dass man Sie (außer man hat Biologie studiert) nur teilweise lösen kann, den Rest muss man sich mit seinem Wissen erschließen. Am drastischsten war dabei Biochemie: im Durchschnitt hatten wir nur 20% der Punkte (in Schulnoten wäre das eine 5-), bestenfalls hat man eigentlich zwei Drittel der Aufgaben überhaupt ernsthaft bearbeitet. Nachdem wir uns anschließend noch zwei Tage Erholung verdient hatten (in denen wir z.B. ein spezielles 3D-Kuppel-Kino und ein tropenmedizinisches Institut besuchten), erwarteten uns die Ergebnisse. Hier wurde ich noch mehr überrascht – im positiven Sinn: ich landete auf dem 3. Platz deutschlandweit.
Und so erwartete mich im Mai die zweite Reise nach Kiel – zur 4. Runde nun mit nur noch 11 anderen Teilnehmern. Mitten im Abitur in der ersten Woche der mündlichen Prüfungen fuhr ich also noch einmal für eine Woche ganz in den Norden Deutschlands. So hatte ich die Gelegenheit, einige Bekannte aus Runde 3 wiederzusehen und sie besser kennen zu lernen – zum Teil habe ich auch jetzt noch Kontakt. Das Programm war dafür noch einmal anstrengender: Keine Vorbereitungskurse, dafür umso mehr Klausuren. Zur langen Theorieklausur kam noch ein zweite, kürzere dazu sowie ein Konzentrations- und ein Abschätztest. Die Praxisklausuren wurden länger und außerdem um Bioinformatik (Analyse von Genen per Software) und Molekularbiologie (ähnlich wie Biochemie, beschäftigt sich aber weniger mit den Reaktionen des Stoffwechsels, sondern eher mit der Analyse von Zellbestandteilen und Proteinen). Nebenbei stellte noch jeder der Teilnehmer ein spezifisches Thema aus der Biologie vor (was dann natürlich als Inhalt für die zweite Theorieklausur genutzt wurde). Daneben blieb aber auch Zeit, z.B. Kiel zu erkunden oder sich einfach ein bisschen zu unterhalten. Am Ende ging es auch zum gemeinsamen Bowlen und zum All-you-can-eat Abendessen.
Zum Abschluss der 4. Runde erwartete uns noch die spannende Frage, welche vier Teilnehmer Deutschland beim internationalen Wettbewerb vertreten sollten. Hier konnte ich zwar keinen Platz mehr erreichen, bin aber sehr glücklich als Sechster Deutschlands (und die Vier im Nationalteam haben sich mit ihrer praktischen Erfahrung den Platz auf jeden Fall verdient!). Alles in allem konnte ich enorm viel aus diesen Wochen mitnehmen – die Menschen, die ich kennengelernt habe, die Erfahrungen, die ich machen durfte und das Wissen, das ich erwerben konnte.
Damit kann ich nur sagen, dass ich froh darüber bin, im Sommer 2017 “einfach mal mitgemacht” zu haben – denn damals konnte ich mir noch nicht einmal annähernd vorstellen, was einmal daraus werden sollte. Und jedem Schüler – gerade auch in der 9. und 10. Klasse – der sich für Biologie interessiert (für den Rest gibt es auch die Chemie- oder Physikolympiade, auch sehr zu empfehlen), kann ich nur empfehlen, es auch “mal auszuprobieren” (Und wenn der erste Anlauf nicht klappt, nicht den Mut verlieren – jeder braucht zwei oder drei Versuche).
Paul Christmann (Abitur 2019)